„Aulendorf wird kein Ischgl II“

Zunftmeister Rolf Reitzel erklärt die Absage des Landschaftstreffens 2021

 Die Narrenzunft Aulendorf hat das Landschaftstreffen Oberschwaben/Allgäu abgesagt. Das große Narrentreffen hätte vom 30. bis 31. Januar 2021 in Aulendorf mit bis zu 15 000 Besuchern, darunter die Hästräger von mehr als 30 Zünften der Vereinigung Schwäbisch- Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), stattfinden sollen. Paulina Stumm hat mit Zunftmeister Rolf Reitzel darüber gesprochen, wie es zu der Entscheidung kam, was die Absage finanziell für die Zunft bedeutet und wie er persönlich damit umgeht, dass seine Zeit als Zunftmeister ohne Landschaftstreffen endet.

Zunftmeister Rolf Reitzel

Herr Reitzel, wann und wie ist die Entscheidung gefallen?
Wir haben am 3. Juli wieder die erste Sitzung mit dem geschäftsführenden Zunftrat machen dürfen. Da hat jeder seine Einschätzung abgegeben, ob er das Landschaftstreffen 2021 für durchführbar hält. Es kamen ganz kontroverse Statements, aber am Ende war klar, es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als es abzusagen. Die Entscheidung ist letztendlich aber erst bei der Zunftratssitzung jetzt am Montagabend gefallen. Die überwältigende Mehrheit hat für die Absage gestimmt. Von den Anwesenden waren nur drei dagegen, und zwar, weil ihnen der Zeitpunkt zu früh war, sie hätten gerne noch ein paar Wochen gewartet.

Offiziell gibt es noch keine Vorgaben zu Großveranstaltungen im Januar. Warum die Absage zum jetzigen
Zeitpunkt?
Wir kommen jetzt in die Phase, wo wir richtig Geld hätten in die Hand nehmen müssen. Wir hatten den Hoteliers, die ja ihre Unterkünfte für unsere Gäste reserviert haben, versprochen, ihnen Ende Juli Bescheid zu sagen, welche Zünfte mit wie vielen Leuten anreisen. Die wollten wir nicht länger hinhalten. Oder beispielsweise auch Pins und Orden: Es macht keinen Sinn, für 8000 Euro welche zu bestellen, die man dann nicht braucht. Und dann ist es auch nicht die Zeit, irgendeinen Geschäftsmann für ein Sponsoring anzusprechen, die wissen ja selber gerade nicht, wie es weitergeht. Aber Geld war auch nicht die Hauptfrage.

Sondern?
Wie können wir die Abstandsregelung und Hygienevorgaben umsetzen, sodass die Besucher hinterher sagen: Das war schön. Stand heute sind Großveranstaltungen bis mindestens Ende Oktober verboten. Und selbst, wenn sie danach in irgendeiner Form wieder erlaubt sind, gibt so viele Dinge, bei denen wir nicht wissen, wie die Vorgaben sehen würden: Wie viele Toilettenwagen brauchen wir, wie viel Security, wie viele Menschen dürfen ins Zelt? Und dann ist es ja auch die Frage: Wer kommt dann überhaupt? Oder bekommen wir eine zweite Welle? So können wir es einfach nicht wagen. Aulendorf wird kein Ischgl II.

Wie geht es Ihnen und der Zunft mit der Absage?
Wir haben so viele Stunden, Herzblut und Mühe reingehängt. Wir sind da ja schon seit vorletztes Jahr dran. Die Stimmung ist …, ich sag mal so, die Versammlung am Montagabend hat sich schnell verabschiedet – und das hatte nicht nur mit dem Corona- Abstand zu tun. Ich persönlich fühle mich gut, dass wir es jetzt entschieden haben. So schwer es uns gefallen ist, für mich ist jetzt auch Druck weg. Aber es ist unendlich schade. Und für manchen, der sich über die Maßen reingehängt hat, ist auch ein Lebenstraum zerplatzt.

Wie weit war die Zunft denn mit der Vorbereitung?
Es war im Groben fertig geplant. Wir hatten Zusagen von allen 34 eingeladenen Zünften. Mein  stellvertretender Zunftmeister Paul Mock hatte es geschafft, Zünfte zu uns zu holen, die schon ewig nicht mehr bei uns waren. Es war klar, wer welche Brauchtumsvorführung macht, welche Musik dazukommt. Die Narrenmessen waren besprochen, die Hotels geblockt, die Ehrengäste eingeladen. Wir hatten 500 Strohballen bestellt, weil der SWR eine Live-Übertragung zugesagt hatte. Ohne Corona  aushätten wir den Feinschliff noch intensiver gemacht, aber unsere Planung war aktuell. Am Anfang von Corona dachten wir ja alle noch, bis nächstes Jahr im Januar ist das vorbei.  Für mich persönlich war die Absage des Weihnachtsmarkts in Triberg, und als Sozialminister Lucha sagte, dass er die Fasnet als extrem gefährdet sieht, der Punkt, wo mir klar wurde: Das wird sehr schwierig.

Was bedeutet die Absage für die Narrenzunft finanziell?
Wir haben noch nicht viel Geld in die Hand nehmen müssen. Riesenverluste werden wir wegen der Absage nicht haben. Wir hatten mit Kosten von rund 40 000 Euro gerechnet. Mit den Corona-Auflagen wäre das gar nicht abschätzbar gewesen. Es hätte viel Geld gekostet, aber wir haben natürlich gehofft, dass wir auch etwas damit verdienen. Wir haben etwas Rücklagen angelegt für das Landschaftstreffen, sodass wir bei einem Totalausfall keine 40 000 Euro Kredit hätten aufnehmen müssen.

Wie geht es denn jetzt in der Sache weiter?
Wir schreiben jetzt gerade die eingeladenen Zünfte an und informieren sie über die Absage. Dann werden wir auch alle anderen, die wir eingeladen haben, informieren. Und mit der Brauerei, die uns das Bier geliefert
hätte, müssen wir sprechen. Sonst gibt es eigentlich nichts mehr zu erledigen, wir haben noch keine Verträge abgeschlossen, die wir kündigen müssten.

Kann Aulendorf hoffen, in 2022 dasLandschaftstreffen ausrichten zu dürfen?
Das ist jetzt schon ausgeschlossen. Es wird sicher nicht 2022, 23 und 24 sein. 2022 richtet die Saulgauer Narrenzunft das Landschaftstreffen aus – sie hatten das Jahr mit uns getauscht, ursprünglich wären sie 2021 an der Reihe gewesen. Und auch für das Jahr 2023 ist die ausrichtende Zunft bereits in den Vorbereitungen. 2024 wird dann 100 Jahre Schwäbisch- Alemannische Vereinigung gefeiert, voraussichtlich in Weingarten. Ob wir danach tauschen könnten, weiß ich nicht. Planmäßig sind wir erst 2031 wieder dran.

Bedeutet die Absage des Landschaftstreffensauch, dass es 2021gar keine Fasnet in Aulendorf geben wird?
Nein, die sagen wir damit nicht ab. Da sind wir ganz klar: Wenn nicht jeder daheimbleiben muss, weil Aulendorf unter Quarantäne steht, dann wollen wir auf jeden Fall unsere Brauchtumsveranstaltungen machen.  Wir sprechen auch noch nicht von einer Absage von Bällen, da müssen wir schauen, was wir dann dürfen. Ich will nicht als Zunftmeister aufhören, und dann war nicht mal Fasnet.

Für Sie hätte das Landschaftstreffen auch der Abschluss ihrer aktiven Zunftzeit sein sollen …
Ich gebe trotz allem nach der Fasnet 2021 an einen Nachfolger, der dann zu wählen ist, ab. Es gibt jemand, der Zunftmeister werden will. Ich bin jetzt seit 1973 ununterbrochen bei der Fasnet dabei, das sind 47 Jahre, irgendwann darf man auch sagen: Jetzt ist es gut.

Bericht: Schwäbische Zeitung Lokalausgabe Bad Waldsee 30.07.2020
Text: Paulina Stumm

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