Am 11.11. war Zahltag

Ehrenzunftmeister Klaus Wekenmann spricht im Interview über den Ursprung der Fasnet

AULENDORF – Traditionell findet am 11. November der Martini-Frühschoppen der Aulendorfer Narrenzunft statt. Darüber, warum die Fasnet eben nicht am 11.11. beginnt, hat Redakteurin Anja Ehrhartsmann mit Ehrenzunftmeister Klaus Wekenmann gesprochen. Außerdem verrät der Fasnetsexperte im Interview, woher die Tradition der Masken stammt und was es mit den Aulendorfer Masken auf sich hat.

Klaus Wekenmann ist mit den Aulendorfer Masken auch in den Schulen unterwegs und erklärt den Kindern die Fasnet.

Herr Wekenmann, wieso geht die Fasnet denn nicht am 11. November los?

Das ist im Schwäbisch-Alemannischen so, dass die Fasnet traditionell an Dreikönig beginnt. Am 11. November ist Martinstag, ein alter Feiertag in der katholischen Kirche. Am 12. November hat früher die Fastenzeit vor Weihnachten begonnen und wie ab der Fastenzeit vor Ostern durfte man damals keine Eier, kein Fleisch mehr essen, durfte keinen Sex mehr haben bis Weihnachten. Der 11. November war also der letzte Tag, an dem man noch mal richtig feiern durfte. Am 11.11.1949 wurde deshalb auch die Narrenzunft Aulendorf gegründet.

Seit wann gibt es traditionell den Frühschoppen am 11.11.?

Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist das überliefert. In der Zeitung von damals wurde am 11.11. um 11.11 Uhr schon zum Frühschoppen eingeladen. Am 11.11. musste der Zins bezahlt werden, außerdem endeten an diesem Tag die Arbeitsverträge der Knechte und Mägde, es war Zahltag.

Wieso beginnt die Fasnet gerade an Dreikönig?

Das ist das Ende der Raunächte, damit sind die zwölf Nächte ab Weihnachten bis zum 6. Januar gemeint. Wenn diese mystische Zeit, in der die kommenden zwölf Monate weisgesagt werden können, vorbei ist, fängt die Fasnet an. Der Aschermittwoch ist dann genau 40 Tage vor Ostern. Die Sonntage als Fastenbrecher werden bei uns rausgerechnet. Die Schweizer machen das nicht, deshalb ist dort der Aschermittwoch acht Tage später wie bei uns.

Was haben die Menschen in der Fasnet gefeiert?

Die letzte Möglichkeit, vor der Fastenzeit zu feiern, war die Fasnet, die Fastennacht. Manche sagen, dass man von Aschermittwoch bis Ostern die Lebensmittel nicht aufbewahren konnte und deshalb alles aufbrauchen musste. Die Fastenzeit war sehr streng und wurde von der katholischen Kirche überwacht.

Wo haben die ganzen Masken eigentlich ihren genauen Ursprung?

Das kam auch von der Kirche. Der Volkskundler Werner Metzger hat die Theorie, dass die Leute früher nicht lesen konnten und die katholische Kirche deshalb versucht hat, den Menschen das Neue Testament in gespielten Szenen nahezubringen. Das gibt es heute noch am Karfreitag in Italien, wenn die großen Kreuzigungsszenen nachgespielt werden, an denen das ganze Dorf beteiligt ist. Da ist es gefährlich, den Pharisäer zu spielen, weil man eventuell später wirklich noch verhauen wird. Um zu verhindern, dass das passiert, haben sich die schlechten Charaktere bei uns damals vermummt. So haben sich die Masken entwickelt.

Woher kommen die Hexen?

Das war eine Entwicklung, die man so nicht vorgesehen hatte. Die Hexen gehen nicht auf die Hexenverfolgung zurück, sondern sie sind  angelehnt an alte Kräuterweibchen, eine naturverbundene Frau wie die Eckhexe.

Und die Aulendorfer Masken sind aus der Stadtgeschichte heraus entstanden?

Als die Grafen von Königsegg 1679 die Fasnet erlaubt haben, durfte man sagen, was man wollte, sogar über die gräfliche Familie, und musste
keine Konsequenzen befürchten. Daher stammen Tschore und Rätsch. Die Eckhexe kam später dazu. Das Besondere ist hier das Kopftuch mit dem Sternkreiszeichen. Das zeigt, dass die Eckhexe eine gebildete Frau war, die sich in der Natur auskannte und im Lauf der Gestirne. Schnörkele und Fetzle sind nach dem Krieg dazugekommen. Da haben sich die Leute gefreut, dass alles besser wird. Im Schwäbischen sagt man „Der macht überall en Schnörkel na“, also etwas Überflüssiges, aber auch etwas Schönes. Das Fetzle, der Fetz, ist ein Spitzbub. Das Häs ist einfach, man hatte ja damals nicht viel. Sackleinen wurde weiß eingefärbt und alte Filz- oder Stoffstücke daraufgenäht, fertig war das Häs. Anfangs gab es deshalb auch keine Glocken, weil man sich die nicht leisten konnte. Die Glocken kamen erst in den 50er-Jahren dazu.

Wie sind Burggraf und Hofnarr dazugekommen?

Das ist eine Verbeugung vor dem Haus Königsegg, weil sie die Fasnet erlaubt haben. Bis 1949 hat man in Aulendorf und in ganz Süddeutschland Karneval gefeiert. Bis 1950 gab es in Aulendorf noch einen Prinz Karneval. Aus Dankbarkeit, dass wieder Fasnet gefeiert werden durfte, hat man den Burggrafen in die Fasnet eingeführt, der gräflicher Repräsentant der Fasnet ist. Zum Burggrafen gehört der Hofnarr und der Zeremonienmeister als Gefolge, weil der Graf eine höhergestellte Person ist.

In Bad Schussenried wird beispielsweise ja noch Karneval gefeiert, das geht also darauf zurück?

Da wird noch Karneval gefeiert, aber die schwäbisch-alemannische Fasnet wurde angegliedert. Ende des 19. Jahrhunderts galt es als altmodisch, die bäuerliche Fasnet zu feiern. Im Karneval trugen die Frauen lange Kleider und die Männer kamen im Smoking. In Bad Waldsee gibt es heute beispielsweise noch eine Prinzengruppe, die auch daher rührt.

Wie unterscheidet sich die Fasnet im Vergleich zu früher?

Die Fasnet hat heute im Vergleich nicht mehr den Stellenwert. Früher wurde an Hochzeiten gefeiert oder an der Kirchweih und dann eben an der Fasnet. Das ganze Jahr über war sonst nichts los. Damals gab es keine Diskotheken. Heute ist die Jugend außerdem viel mobiler und fährt mal kurz nach Ravensburg oder nach Bad Saulgau. Jeden Tag kann man feiern, die Fasnet ist nicht mehr die Ausnahme. Dass es weniger wird, sieht man vor allem an den Fasnetsbällen.

Bericht: Schwäbische Zeitung Lokalausgabe Bad Waldsee 10.11.2015
Text und Fotos: A.EHRHARTSMANN

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